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Berufsordnung der Rechtsanwälte

26 März 2012, Nicola Canestrini

Die Berufsordnung regelt das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant, unter Kollegen und gegenüber dem Gericht.

Ab 15. Dezember 2014 wird eine neue Berufsordnung in Kraft treten; bitte den aktuellen Stand auf der Webseite der italienischen Rechtsanwaltskammer überprüfen.

 

PRÄAMBEL

Der Rechtsanwalt übt seine Tätigkeit in voller Freiheit, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit zur Wahrung der Rechte und Interessen der Personen aus, indem er die Kenntnis der Gesetze gewährleistet und so zur Verwirklichung der Rechtsordnung für die Ziele der Rechtspflege beiträgt.

In der Ausübung seiner Aufgabe wacht der Rechtsanwalt über die Äbereinstimmung der Gesetze mit den Grundsätzen der Verfassung, in Achtung des Abkommens über den Schutz der Menschenrechte und der Rechtsordnung der Gemeinschaft; er garantiert das Recht auf Freiheit und Sicherheit und die Unverletzlichkeit der Verteidigung; er gewährleistet die Rechtmässigkeit des Gerichtsverfahrens und des Dialogs im Prozess.

Die Normen der Berufsordnung sind wesentlich für die Verwirklichung und die Bewahrung dieser Werte.

 

ABSCHNITT I - ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE

ART. 1. (Anwendungsbereich). - Die Normen der Berufsordnung gelten für alle Rechtsanwälte und Praktikanten in ihrer Tätigkeit, in ihren Beziehungen untereinander und gegenüber Dritten.

ART. 2. (Disziplinargewalt). - Den Disziplinarorganen steht die Macht zu, die den Verletzungen der Berufsordnung angemessenen und verhältnismässigen Sanktionen zu verhängen.

Die Sanktionen müssen der Schwere der Tat entsprechen und die Rückfälligkeit der Verhaltensweisen sowie die spezifischen subjektiven und objektiven Umstände, welche die Äbertretung mitbestimmt haben, berücksichtigen.

ART. 3. (Vorsätzlichkeit der Handlung). - Die disziplinarrechtliche Verantwortung ergibt sich aus der Missachtung der Pflichten und aus der Vorsätzlichkeit der Handlung wie auch der Unterlassung.

Gegenstand der Beurteilung ist das gesamte Verhalten des Beschuldigten. Wenn im Rahmen eines einzigen Verfahrens mehrere Beschuldigungen vorgebracht werden, muss die Sanktion einheitlich sein.

ART. 4. (Tätigkeit im Ausland und Tätigkeit des Ausländers in Italien). - Bei der Ausübung beruflicher Tätigkeiten im Ausland, die von den geltenden Bestimmungen gestattet sind, hat der italienische Rechtsanwalt die Berufsordnung des Landes, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, einzuhalten.

Gleicherweise hat der ausländische Rechtsanwalt bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit in Italien, wenn diese erlaubt ist, die italienische Berufsordnung einzuhalten.

ART. 5. (Pflichten zu Rechtschaffenheit, Würde und Anstand). - Der Rechtsanwalt hat sein Verhalten nach den Pflichten zur Rechtschaffenheit, Würde und Anstand zu bestimmen.

I. Der Rechtsanwalt, dem ein nicht fahrlässiges Verhalten zurechenbar ist, welches das Strafgesetz verletzt hat, ist unter Vorbehalt der autonomen Beurteilung der begangenen Tat dem Disziplinarverfahren zu unterwerfen.

II. Für Handlungen, die auch nicht die anwaltschaftliche Tätigkeit betreffen, ist der Rechtsanwalt dem Disziplinarverfahren zu unterwerfen, wenn diese Auswirkungen auf sein berufliches Ansehen haben oder dem Ansehen der Klasse der Rechtsanwälte schaden.

III. Der Rechtsanwalt, gegen den in einem Strafverfahren ermittelt oder Anklage erhoben wird, kann nicht die Verteidigung einer anderen Partei in demselben Verfahren übernehmen oder behalten.

ART. 6. (Pflichten zur Aufrichtigkeit und Korrektheit). - Der Rechtsanwalt muss seine Tätigkeit mit Aufrichtigkeit und Korrektheit ausüben.

I. Der Rechtsanwalt darf nicht bÄsgläubig oder grob fahrlässig Klagen einbringen oder gerichtliche Initiativen unternehmen.

ART. 7. (Pflicht zur Treue). - Der Rechtsanwalt hat seine berufliche Tätigkeit in Treue auszuüben.

I. Das Verhalten des Rechtsanwaltes, der wissentlich gegen das Interesse des Mandanten handelt, stellt eine Verletzung der Berufsordnung dar.

ART. 8. (Sorgfaltspflicht). - Der Rechtsanwalt muss seine beruflichen Pflichten mit Sorgfalt erfüllen.

I. Der Verteidiger kann insbesondere Nachforschungen anstellen, wenn dies für die Verteidigung des Mandanten nÄtig erscheint, unabhängig davon, ob gegen diesen formell ermittelt wird, und zwar auch nach Eintritt der Rechtskraft.

ART. 9. (Pflicht zur Verschwiegenheit und Vertraulichkeit). - Es ist die erstrangige und grundlegende Pflicht und auch das Recht des Rechtsanwaltes, das Berufsgeheimnis über die geleistete Tätigkeit und über alle Informationen, die ihm vom Mandanten mitgeteilt worden sind oder die in Zusammenhang mit dem Mandat zu seiner Kenntnis gelangt sind, zu wahren.

I. Der Rechtsanwalt ist auch gegenüber früheren Klienten sowohl für gerichtliche als auch aussergerichtliche Tätigkeit zur Verschwiegenheit verpflichtet.

II. Das Berufsgeheimnis muss auch gewahrt werden, wenn sich jemand an den Rechtsanwalt um Beistand gewandt hat, ohne dass das Mandat angenommen worden ist.

III. Der Rechtsanwalt hat die Wahrung des Berufsgeheimnisses auch von seinen Mitarbeitern und Angestellten sowie allen Personen, die in der Ausübung der beruflichen Tätigkeit mitwirken, zu verlangen.

IV. Der Strafverteidiger kann seinen Vertretern, Kanzleimitarbeitern, Sachverständigen und Privatdetektiven die zur Erfüllung des Auftrags nÄtigen Prozessakten sowie die in seinem Besitz befindlichen Informationen überlassen, auch wenn der Akt als geheim eingestuft worden ist.

V. Ausnahmen der allgemeinen Regel stellen die Fälle dar, in denen die Offenbarung einiger Informationen über den Mandanten nÄtig sind:

a) zur Ausübung der Verteidigungstätigkeit;

b) um zu verhindern, dass der Mandant selbst ein besonders schweres Verbrechen begeht;

c) um in einem Rechtsstreit zwischen Rechtsanwalt und Mandanten Tatsachen vorzubringen;

d) in einem Verfahren, welches die Art und Weise der Verteidigung der Interessen des Mandanten betrifft.

In jedem Fall muss die Offenbarung sich auf das beschränken, was für die Wahrnehmung des Zieles unbedingt notwendig ist.

ART. 10. (Pflicht zur Unabhängigkeit). - In der Ausübung der beruflichen Tätigkeit hat der Rechtsanwalt die Pflicht, die eigene Unabhängigkeit zu bewahren und seine Freiheit gegen Zwänge oder Abhängigkeiten von aussen zu verteidigen.

I. Der Rechtsanwalt darf nicht Interessen berücksichtigen, die seine eigene persÄnliche Sphäre betreffen.

II. Der Rechtsanwalt darf sich nicht kaufmännisch oder als Vermittler betätigen.

III. Der Rechtsanwalt, der mit Personen, welche die Eintreibung von Forderungen auf Rechnung Dritter betreiben, diesbezügliche Vereinbarungen trifft, begeht eine berufsrechtliche Äbertretung.

ART. 11. (Pflicht zur Verteidigung). - Der Rechtsanwalt muss seine Tätigkeit als Verteidiger erbringen, auch wenn er von den GerichtsbehÄrden im Rahmen der geltenden Gesetze dazu aufgefordert wird.

I. Der Rechtsanwalt, der als Pflichtverteidiger bestellt wird, muss nach MÄglichkeit dem Mandanten mitteilen, dass er die MÄglichkeit hat, einen Vertrauensverteidiger zu wählen, und muss ihn informieren, wenn er eine Vergütung verlangen will, dass auch der Amtsverteidiger laut Gesetz entlohnt werden muss.

II. Die ungerechtfertigte Verweigerung der Tätigkeit im Rahmen des Armenrechtes oder das Verlangen eines Entgeltes für derartige Tätigkeit stellt eine Verletzung des Berufsrechtes dar.

ART. 12. (Pflicht zur Sachkenntnis). - Der Rechtsanwalt darf keine Aufträge annehmen, von denen er weiss, dass er sie nicht mit angemessener Sachkenntnis bearbeiten kann.

I. Der Rechtsanwalt muss dem Mandanten die Umstände mitteilen, welche die Erbringung der Leistung verhindern, und muss bei besonders schwierigen und komplexen Rechtssachen die Zweckmässigkeit erwägen, einen anderen Kollegen zur Verteidigung beizuziehen.

II. Bei Äbernahme eines bestimmten beruflichen Auftrages wird die zur Bearbeitung dieses Auftrages nÄtige Sachkenntnis vermutet.

ART. 13. (Pflicht zur beruflichen Weiterbildung). - Der Rechtsanwalt hat die Pflicht, ständig um seine Berufsausbildung besorgt zu sein, indem er seine Kenntnisse mit besonderer Berücksichtigung seiner Tätigkeitsschwerpunkte bewahrt und vermehrt.

ART. 14. (Wahrheitspflicht). - Die Erklärungen im Gerichtsverfahren über das Bestehen oder Nichtbestehen von objektiven Tatsachen, die spezifische Voraussetzungen für eine Verfügung des Gerichtes darstellen und von denen der Rechtsanwalt direkte Kenntnis hat, müssen wahrheitsgetreu sein.

I. Der Rechtsanwalt darf nicht vorsätzlich, falsche Beweise in den Prozess einbringen. Insbesondere darf der Verteidiger Erklärungen von informierten Personen, die ihm als falsch bekannt sind, weder protokollieren lassen noch hinterlegen.

II. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, schon erwirkte Verfügungen oder die Abweisung beantragter Verfügungen zu erwähnen, wenn er auf Grund derselben Sachlage Anträge oder Gesuche stellt.

ART. 15. (Pflicht zur Erfüllung der Fürsorge-und Steuerverpflichtungen). - Der Rechtsanwalt hat die ihm von den gelten den Gesetzen auferlegten Verpflichtungen in Zusammenhang mit Fürsorge und Steuern zu erfüllen.

I. Insbesondere hat der Rechtsanwalt ordnungsgemäss und rechtzeitig die Beiträge an die Organe der Rechtsanwälte und an die Fürsorgekasse zu entrichten.

ART. 16. (Pflicht zur Vermeidung von Unvereinbarkeit). - Der Rechtsanwalt hat die Pflicht, Situationen zu vermeiden, die mit dem Verbleib im Anwaltsverzeichnis unvereinbar sind, und jedenfalls im Zweifel das Gutachten seiner Rechtsanwaltskammer einzuholen.

I. Der Antrag auf Eintragung in das Rechtsanwaltsverzeichnis bei Vorliegen eines nicht erklärten Unvereinbarkeitsgrundes auch wenn dieser inzwischen weggefallen ist, stellt eine Äbertretung der Berufsordnung dar.

ART. 17. (Information über die Ausübung des Berufes). - [Dem Rechtsanwalt ist es gestattet, in korrekter und wahrhaftiger Weise, in Wahrung der Würde und des Ansehens des Anwaltsstandes und der Verpflichtungen zur Verschwiegenheit und Vertraulichkeit über seine berufliche Tätigkeit zu informieren.

I. Die Information kann durch Broschüren, BriefbÄgen, Berufs-und Telefonverzeichnisse, Listen und informatische Netze auch mit internationaler Verbreitung erfolgen.

II. Die Angabe eigener besonderer Tätigkeitsschwerpunkte ist im Verhältnis zu Dritten gestattet.

III. Die Angabe des Namens eines verstorbenen Rechtsanwaltes, welcher der Kanzlei angehÄrt hat, ist gestattet, wenn er dies seinerzeit ausdrücklich vorgesehen oder testamentarisch in diesem Sinne verfügt hat oder die einhellige Zustimmung seiner Erben vorliegt.] Artikel wurde abgeandert.

ART. 18. (Beziehungen zur Presse). - In den Beziehungen zur Presse und den anderen Nachrichtenmedien hat sich der Rechtsanwalt bei der Abgabe von Erklärungen und Interviews an Kriterien von Ausgeglichenheit und Mässigung zu halten, sei es wegen der Pflichten zur Verschwiegenheit und Geheimhaltung gegenüber dem Mandanten, sei es um Konkurrenzverhalten gegenüber den Kollegen zu vermeiden.

I. Der Strafverteidiger darf mit Zustimmung des Mandanten und in dessen Interesse Nachrichten an die Organe der Information und der Presse weitergeben, soweit sie nicht vom Untersuchungsgeheimnis gedeckt sind.

II. Auf jeden Fall begeht eine Verletzung der Berufsordnung, wer auch nur mit indirekten Beiträgen zu Presseartikeln Werbezwecke verfolgt; wer seine Leistungen oder Erfolge heraushebt; wer sich des Namens der Klienten bedient; wer berufliche Leistungen anbietet; wer mit den Informations-und Pressemedien nur zum Zwecke persÄnlicher Werbung Beziehungen unterhält.

ART. 19. (Verbot der Kundenanwerbung). - Das Angebot beruflicher Leistungen an Dritte und überhaupt jede Tätigkeit, die mittels Agenturen, Vermittler oder anderer unerlaubter Mittel auf Erwerb von Kunden gerichtet ist, ist verboten.

I. Der Rechtsanwalt darf nicht einem Kollegen oder anderen Personen ein Honorar, eine Provision oder irgend eine andere Entschädigung als Gegenleistung für die Einführung eines Klienten entrichten.

II. Das Angebot von Geschenken oder Leistungen an Dritte oder die Leistung oder das Versprechen von Vorteilen zum Zweck des Erwerbes von Mandaten und Aufträgen ist verboten.

ART. 20. (Verbot von unpassenden und beleidigenden Ĩsserungen). - Unbesehen der zivil-und strafrechtlichen Bestimmungen hat der Rechtsanwalt den Gebrauch unpassender und beleidigender Äusserungen in den gerichtlichen Schriftsätzen und überhaupt in der Berufstätigkeit zu vermeiden, und zwar sowohl gegenüber Kollegen wie auch gegenüber den Richtern, den Gegnern und den Dritten.

I. Die Erwiderung der Beleidigung oder die Provokation oder die Gegenseitigkeit der Beleidigungen schliessen die Verletzung der Berufsordnung nicht aus.

ART. 21. (Verbot der beruflichen Tätigkeit ohne Titel oder der Führung nicht vorhandener Titel). - Die Eintragung im Rechtsanwaltsverzeichnis ist notwendige und wesentliche Voraussetzung für die Ausübung der gerichtlichen und ausserstreitigen Vertretung und Beratung auf rechtlichem Gebiet und für die Führung des entsprechenden Titels.

I. Die Führung einer nicht vorhandenen Berufsbezeichnung oder die Ausübung von Tätigkeit ohne Titel oder während des zeitweiligen Berufsverbotes sind disziplinarrechtlich verfolgbar: für die Äbertretung haftet auch der Kollege, der direkt oder indirekt die rechtswidrige Tätigkeit ermÄglicht hat.

 

ABSCHNITT II - BEZIEHUNGEN ZU DEN KOLLEGEN

ART. 22. (Kollegiale Beziehungen im allgemeinen). - Der Rechtsanwalt muss sich in seinem Verhalten gegenüber den Kollegen immer an Korrektheit und Anstand halten.

I. Der Rechtsanwalt ist gehalten, das Ersuchen des Kollegen um Information unverzüglich zu beantworten.

II. Der Rechtsanwalt darf, vorbehaltlich besonderer Gründe, das Mandat gegen einen Kollegen nicht ablehnen, wenn er das Verlangen der Partei als begründet oder die Forderung des Kollegen als unbegründet erachtet; es ist jedoch Pflicht des Rechtsanwaltes, sobald als mÄglich die Rechtsanwaltskammer über die strafrechtlichen und zivilrechtlichen gegen einen Kollegen zu richtenden gerichtlichen Schritte zu informieren, um einen Schlichtungsversuch zu ermÄglichen, ausser es besteht Bedarf von Dringlichkeit oder Geheimhaltung; in diesem Fall kann die Mitteilung auch später erfolgen.

III. Der Rechtsanwalt darf eine telefonische Besprechung mit dem Kollegen nicht aufzeichnen. Die Aufzeichnung im Rahmen einer Sitzung ist nur mit der Zustimmung aller Anwesen den gestattet.

ART. 23. (Kollegiale Beziehung und Verteidigungspflicht im Prozess). - Bei der gerichtlichen Tätigkeit insbesondere muss der Rechtsanwalt sein Verhalten nach der Verteidigungspflicht bestimmen, wobei er so weit als mÄglich die kollegiale Beziehung wahren muss.

I. Der Rechtsanwalt hat die Pünktlichkeit bei Gerichtsterminen und bei jeder anderen Gelegenheit eines Treffens mit den Kollegen einzuhalten.

II. Der Rechtsanwalt muss sich den gegnerischen Anträgen auf Vertagung der Gerichtstermine, Hinterlegung von Dokumenten und ähnlichem zu widersetzen, wenn diese ungesetzlich oder ungerechtfertigt sind und für den Mandanten Nachteile bringen.

III. Der Rechtsanwalt muss sich dafür verwenden, dass der eigene Mandant die im Urteil dem gegnerischen Kollegen zugesprochenen Unkosten und Honorare bezahlt.

IV. Der Strafverteidiger, der vom Angeklagten als Vetrauensverteidiger benannt wird, muss dem bereits als Amtsverteidiger bestellten Kollegen rechtzeitig und mit geeigneten Mitteln das erhaltene Mandat mitteilen.

V. In der Ausübung des Mandates muss der Rechtsanwalt mit den Verteidigern der anderen Angeklagten zusammenarbeiten und auch Informationen, Akten und Dokumente im Interesse des Mandanten und in Beachtung der Gesetze austauschen.

VI. Im Fall gemeinsamer Verteidigung ist es Pflicht des Verteidigers, den Mitverteidiger hinsichtlich jeder prozessualen Entscheidung anzuhÄren und ihn über den Inhalt der Besprechungen mit dem gemeinsamen Mandanten zu informieren, um die effektive Billigung der Prozessstrategie zu ermÄglichen.

ART. 24. (Beziehungen zum Ausschuss der Rechtsanwaltskammer). - Der Rechtsanwalt hat die Pflicht, mit seinem Kammerausschuss oder mit einem anderen Ausschuss, der dies verlangt, zur Verwirklichung der vorgegebenen Ziele mitzuarbeiten, wobei er genauestens die Pflicht zur Wahrhaftigkeit beachten muss. Zu diesem Zweck ist jedes Mitglied gehalten, dem Ausschuss Tatsachen seiner Kenntnis mitzuteilen, die sich auf das Rechtsanwaltsmilieu oder auf die Verwaltung der Justiz beziehen und gemeinsame Initiativen oder Interventionen erfordern.

I. Im Disziplinarverfahren stellt die mangelnde Stellungnahme des Mitgliedes auf die ihm mitgeteilten Beschuldigungen und die mangelnde Vorlage von Bemerkungen und Verteidigungen nicht ein eigenes Disziplinarvergehen dar, obwohl diese Verhaltensweisen vom urteilenden Organ in der freien Bildung der Äberzeugung bewertet werden kÄnnen.

II. Wenn jedoch der Kammerausschuss vom Mitglied Klärungen, Nachrichten oder Erfüllungen in Hinblick auf eine von einer Partei oder einem Kollegen eingebrachte Beschwerde verlangt, die den Erhalt von Nachrichten oder Erfüllungen im Interesse des Beschwerdeführers zum Inhalt haben, stellt die mangelnde unverzügliche Antwort des Mitgliedes ein Disziplinarvergehen dar.

III. Der in den Kammerausschuss berufene Rechtsanwalt muss seinen Auftrag mit Sorgfalt, Unparteilichkeit und im Interesse der Berufsgemeinschaft ausüben.

ART. 25. (Beziehungen zu den Mitarbeitern der Kanzlei).- Der Rechtsanwalt muss seinen Mitarbeitern die Verbesserung der Berufsausbildung gestatten und ihre Mitarbeit im Verhältnis zum erhaltenen Beitrag entlohnen.

ART. 26. (Beziehungen zu den Praktikanten). - Der Rechtsanwalt hat gegenüber den Praktikanten zu gewährleisten, dass die Ausbildung tatsächlich und nutzbringend ist, um eine angemessene Ausbildung zu ermÄglichen.

I. Der Rechtsanwalt muss dem Praktikanten ein geeignetes Arbeitsmilieu bieten und ihm nach einer Anfangsphase eine dem erhaltenen beruflichen Beitrag angemessene Entlohnung zuerkennen.

II. Der Rechtsanwalt darf die Wahrheit der Eintragungen im Praxisbüchlein nur nach angemessener Äberprüfung und ohne Rücksicht auf Gefälligkeit oder Freundschaft bestätigen.

III. Der Rechtsanwalt, der die Praktikanten beauftragt, nicht erlaubte Verteidigungstätigkeit zu leisten, ist disziplinarrechtlich haftbar.

ART. 27. (Pflicht zur Korrespondenz mit dem Kollegen). - Der Rechtsanwalt darf sich nicht mit der Gegenpartei, die durch einen anderen Anwalt vertreten wird, direkt in Verbindung setzen.

I. Nur in besonderen Fällen, um bestimmte Verhaltensweisen zu verlangen oder in Verzug zu setzen oder Verjährungen oder Verfall zu vermeiden, kann die Korrespondenz direkt an die Gegenseite gerichtet werden, wobei aber immer eine Kopie zur Kenntnis an den gegnerischen Anwalt zu übermitteln ist.

II. Der Rechtsanwalt begeht ein disziplinarrechtliches Vergehen, wenn er einverständlich die Gegenpartei empfängt, obwohl er weiss, dass sie von einem Kollegen vertreten wird, ohne diesen zu verständigen und dessen Zustimmung einzuholen.

ART. 28. (Verbot, die mit dem Kollegen ausgetauschte Korrespondenz vorzulegen). --Die als vertraulich bezeichneten Briefe und überhaupt die Vergleichsvorschläge enthaltende Korrespondenz mit den Kollegen darf im Verfahren nicht vorgelegt oder erwähnt werden.

I. Die Korrespondenz zwischen Kollegen darf vorgelegt werden, wenn eine Vereinbarung abgeschlossen worden ist, die durch die Korrespondenz selbst verwirklicht wurde.

II. Die Korrespondenz des Rechtsanwaltes, der die Erfüllung der verlangten Leistungen zusagt, darf vorgelegt werden.

III. Der Rechtsanwalt darf dem Mandanten nicht die vertrauliche Korrespondenz zwischen Kollegen aushändigen, aber er darf sie, wenn das berufliche Mandat beendet ist, dem ihm nachfolgenden Anwalt übergeben, der dann dieselben Grundsätze der Vertraulichkeit zu beachten hat.

IV. Die Unterbrechung ausserstreitiger Verhandlungen mit der Absicht auf Beginn des Rechtsstreites muss dem gegnerischen Kollegen mitgeteilt werden.

ART. 29. (Nachrichten über den Kollegen). - Die gerichtliche Vorlage von Dokumenten über die persÄnliche Lage des gegnerischen Kollegen sowie die Verwendung von Nachrichten über seine Person ist ausdrücklich untersagt, ausser es besteht ein wesentlicher Zusammenhang zu den Prozessfakten.

I. Der Rechtsanwalt muss sich von negativen Beurteilungen der beruflichen Tätigkeit eines Kollegen und insbesondere seines Verhaltens sowie seiner angenommenen Fehler und seiner Unfähigkeit enthalten.

II. Der Rechtsanwalt darf keine Urteile über den Stand eines Verfahrens abgeben, ausser wenn der damit betraute Kollege einverstanden ist.

ART. 30. (Pflicht zur Bezahlung der einem anderen Kollegen übertragenen Leistungen). - Vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung muss der Rechtsanwalt, der direkt einen anderen Kollegen auswählt und ihn mit der Vertretung und Assistenz beauftragt, für dessen Bezahlung sorgen, wenn nicht der Mandant dafür aufkommt.

ART, 31. (Pflicht der Weisung an den Kollegen und Verpflichtung zur Information). --Der Rechtsanwalt ist gehalten, dem korrespondierenden Kollegen rechtzeitige Weisungen zu geben. Dieser ist seinerseits gehalten, dem Kollegen rechtzeitige detaillierte Informationen über die geleistete und zu leistende Tätigkeit zu geben.

I. Die Erwählung des Zustellungsdomizils bei einem anderen Kollegen muss vorher mitgeteilt und gestattet werden.

II. Dem Korrespondenzanwalt ist es untersagt, eine Rechtssache direkt im Vergleichswege abzuschliessen, ohne den Kollegen zu benachrichtigen, der ihm den Auftrag erteilt hat.

III. In Ermangelung von Weisungen muss der Korrespondenzanwalt sich in der besten Weise für die Wahrung der Interessen der Partei einsetzen und so bald als mÄglich den Kollegen benachrichtigen, der ihm den Auftrag erteilt hat.

ART. 32. (Verbot der Anfechtung eines mit dem Kollegen erzielten Vergleiches). - Der Rechtsanwalt, der mit dem gegnerischen Vertreter einen Vergleichsabschluss erzielt hat, der von

den Parteien angenommen worden ist, darf den abgeschlossenen Vergleich nicht gerichtlich anfechten, ausser die Anfechtung ist durch besondere bisher unbekannte oder neu aufgetauchte Tatsachen gerechtfertigt.

ART. 33. (Vertretung des Kollegen in der Verteidigertätigkeit). - Im Falle der Ersetzung eines Kollegen im Laufe des Verfahrens wegen Entzug des Mandates oder wegen Verzichtes muss der neue Anwalt dem ersetzten Kollegen seine Ernennung mitteilen und sich, ohne die Verteidigungstätigkeit zu beeinträchtigen, dafür einsetzen, dass die gerechtfertigten Forderungen für die erbrachten Leistungen bezahlt werden.

I. Der ersetzte Rechtsanwalt muss sich dafür verwenden, dass der Eintritt in das Mandat ohne Schaden für den Mandanten erfolgt, und dem neuen Verteidiger alle Angaben liefern, um ihm die Fortführung der Verteidigung zu erleichtern.

ART. 34. (Verantwortung der Mitarbeiter, Vertreter und Sozien). - Die Mitarbeiter, Vertreter und Hilfskräfte sind disziplinarrechtlich für Handlungen im Rahmen spezifisch erhaltener Aufträge nicht verantwortlich, ausser die Handlung ist Voraussetzung einer autonomen Verantwortung.

I. Im Falle beruflicher Sozietät ist nur der Rechtsanwalt oder die Rechtsanwälte disziplinarrechtlich verantwortlich, auf die sich die spezifischen begangenen Taten beziehen.

 

ABSCHNITT III - BEZIEHUNGEN ZUM MANDANTEN

ART. 35. (Vertrauensverhältnis). - Das Verhältnis zum Mandanten beruht auf dem Vertrauen.

I. Der Auftrag muss vom Mandanten oder von einem anderen Rechtsanwalt, der ihn verteidigt, erteilt werden. Wird er von einem Dritten erteilt, der das Interesse des Mandanten oder auch ein eigenes Interesse wahren will, darf der Auftrag nur mit Zustimmung des Mandanten angenommen werden.

II. Der Rechtsanwalt darf nach der Mandatserteilung nicht mit dem Mandanten Beziehungen wirtschaftlicher, vermögensrechtlicher oder kaufmännischer Art eingehen, die irgendwie das berufliche Verhältnis beeinflussen kÄnnen.

ART. 36. (Unabhängigkeit des Verhältnisses). - Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Interessen des Mandanten in der bestmöglichen Weise im Rahmen des Mandates und in Beachtung des Gesetzes und der Berufsordnung zu verteidigen.

I. Der Rechtsanwalt darf nicht bewusst Prozesse anraten, die überflüssigerweise belasten, noch Verhaltensweisen, Handlungen oder Rechtsgeschäfte vorschlagen, die ungesetzlich, betrügerisch oder von Nichtigkeit betroffen sind.

ART. 37. (Interessenkonflikt). - Der Rechtsanwalt hat die Pflicht, sich von beruflicher Tätigkeit zu enthalten, wenn dies einen Konflikt mit den Interessen eines Mandanten mit sich bringt.

I. Interessenkonflikt liegt auch dann vor, wenn die Erfüllung eines neuen Mandates die Verletzung der Schweigepflicht über Informationen bedeutet, die von einem anderen Mandanten geliefert wurden, oder wenn die Kenntnis der Angelegenheiten einer Partei zu Unrecht einen neuen Mandanten bevorteilt, oder wenn die Ausführung eines früheren Mandates die Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes in der Erfüllung eines neuen Auftrages einschränkt.

II. Der Rechtsanwalt, der Ehepartnern in Familienangelegenheiten gemeinsam Beistand geleistet hat, darf in späteren Angelegenheiten zwischen denselben nicht einem von ihnen beistehen.

ART. 38. (Nichterfüllung des Mandates). - Die mangelnde, verspätete oder nachlässige Ausführung von Tätigkeit im Rahmen des Mandates stellt Verletzung der beruflichen Pflichten dar, wenn sie auf unentschuldbarer und erheblicher Vernachlässigung der Interessen des Mandanten beruht.

I. Der Amtsverteidiger muss seinen Auftrag sorgfältig und prompt erfüllen; wenn er an der Teilnahme an einzelnen Prozesshandlungen verhindert ist, muss er rechtzeitig und mit Angabe von Gründen die BehÄrde benachrichtigen oder einen Kollegen mit der Verteidigung betrauen, der dann, wenn er annimmt, für die Erfüllung des Auftrages haftet.

ART. 39. (Fernbleiben von den Gerichtsterminen). - Der Rechtsanwalt hat das Recht, sich an dem von den Organen der Rechtsanwälte in Einklang mit den Regeln der Selbstbestimmung und den geltenden Gesetzen verkündeten Boykott der Gerichtstermine zu beteiligen.

I. Der Rechtsanwalt, der sein Recht wahrnimmt, nicht am Boykott teilzunehmen, hat vorher die übrigen eingelassenen Verteidiger zu informieren.

II. Es ist nicht gestattet, am verkündeten Boykott je nach eigenem Vorteil teilzunehmen oder sich davon zu distanzieren. Der Rechtsanwalt, der sich am Boykott beteiligt, kann sich nicht davon für einzelne Tage oder spezifische Tätigkeiten distanzieren, wie auch der Rechtsanwalt, der sich vom Boykott distanziert, sich nicht teilweise an gewissen Tagen oder für gewisse eigene berufliche Tätigkeiten beteiligen kann.

ART. 40. (Pflicht zur Information). - Der Rechtsanwalt ist bei der Mandatserteilung verpflichtet, den Mandanten klar über die wesentlichen Punkte und die Bedeutung der Sache oder die zu unternehmende Tätigkeit zu informieren und die mÄglichen Schritte und LÄsungsmÄglichkeiten genau anzugeben. Der Rechtsanwalt ist auch gehalten, den Mandanten über den Fortgang des ihm übertragenen Mandates zu informieren, wenn er dies für zweckmässig hält und immer dann, wenn der Mandant es verlangt.

I. Auf Verlangen hat der Rechtsanwalt den Mandanten über die grundsätzlichen Prognosen über Dauer und voraussichtliche Kosten des Prozesses zu informieren.

II. Es ist Pflicht des Rechtsanwaltes, dem Mandanten die Notwendigkeit von bestimmten Schritten zur Vermeidung von Verjährung, Verfall oder anderen nachteiligen Rechtswirkungen mitzuteilen.

III. Der Verteidiger hat die Pflicht, dem Mandanten zu berichten, was er in der Ausübung des Mandates erfahren hat.

ART. 41. (Verwaltung von Fremdgeldern). - Der Rechtsanwalt muss sich in der Verwaltung von Geldern, die er vom Mandanten oder von Dritten für bestimmte Geschäfte oder für den Mandanten erhalten hat, gewissenhaft und sorgfältig verhalten und hat die Pflicht, prompt darüber abzurechnen.

I. Es stellt eine disziplinarrechtliche Übertretung dar, die für den Mandanten erhaltenen Beträge länger als unbedingt notwendig zurückzubehalten.

II. Im Falle eines treuhänderischen Depots hat der Rechtsanwalt schriftliche Weisungen anzufordern und sich an diese zu halten.

ART. 42. (Rückgabe von Dokumenten). - Der Rechtsanwalt ist auf jeden Fall verpflichtet, dem Mandanten ohne Verzug die zur Erfüllung des Mandates erhaltenen Unterlagen zurückzugeben, wenn dieser es verlangt.

I. Der Rechtsanwalt kann eine Kopie der Unterlagen ohne Zustimmung des Mandanten nur dann zurückbehalten, wenn dies für die Festsetzung des Entgeltes nÄtig ist, jedoch nicht länger als bis zur erfolgten Zahlung.

ART. 43. (Zahlungsforderung). - Normalerweise verlangt der Rechtsanwalt vom Mandanten im Verlauf des Mandatsverhältnisses die Vorauszahlung der Auslagen und die Leistung angemessener Vorschüsse auf das Honorar, und bei Beendigung des Auftrages die gerechte Entlohnung.

I. Der Rechtsanwalt darf nicht ein Entgelt verlangen, das zur geleisteten Tätigkeit offensichtlich in keinem Verhältnis steht oder jedenfalls zu hoch ist.

II. Der Rechtsanwalt darf im Falle mangelnder freiwilliger Zahlung kein höheres Entgelt als das bereits bekannt gegebene verlangen, ausser er hat sich dies formell vorbehalten.

III. Der Rechtsanwalt darf nicht die Auszahlung von Beträgen, an den Mandanten, die er für diesen kassiert hat, von der Anerkennung seiner Rechte oder der Erfüllung bestimmter Leistungen abhängig machen.

IV. Dem Rechtsanwalt ist es gestattet, im Falle dauerhafter Erbringung von Beratung und Beistand Pauschalhonorare zu vereinbaren, sofern diese im Verhältnis zur voraussichtlichen Leistung stehen und nicht die gesetzlichen Mindestbeträge unterschreiten.

ART. 44. (Verrechnung). - Der Rechtsanwalt hat das Recht, die Beträge zurückzubehalten, die ihm vom Mandanten oder von Dritten als Kostenersatz übergeben worden sind, wobei er den Mandanten verständigen muss; er kann auch die für Honorarzahlung erhaltenen Beträge zurückbehalten, wenn die Zustimmung des Mandanten vorliegt oder wenn es sich um Beträge handelt, die im Urteil der Gegenpartei an Honorar und Gebühren auferlegt worden sind und er sie noch nicht vom Mandanten erhalten hat, oder wenn er schon eine Zahlungsforderung gestellt hat, die ausdrücklich vom Mandanten angenommen worden ist.

I. Ausser diesen Fällen oder im Fall der Bestreitung ist der Rechtsanwalt verpflichtet, dem Mandanten die für diesen kassierten Beträge unverzüglich zur Verfügung zu stellen.

ART. 45. (Entgeltsvereinbarungen). Ergebnisbedigte Vereinbarungen eines Zusatzentgeltes sind erlaubt, unter Berücksichtigung des Verbotes gem. 1261 ZGB und unter Einhaltung des Art. 2233 ZGB, und sofern sie der Verhaltensmässigkeit entsprechen.

ART. 46 (Gerichtliche Schritte gegen den Mandanten um Zahlung des Entgeltes). -Der Rechtsanwalt kann gerichtlich gegen den Mandanten wegen Zahlung der beruflichen Leistungen vorgehen, nachdem er das Mandat zurückgelegt hat.

ART. 47 (Verzicht auf das Mandat). - Der Rechtsanwalt hat das Recht, auf das Mandat zu verzichten .

I. Im Fall des Verzichtes auf das Mandat muss der Rechtsanwalt dem Mandanten eine den Umständen entsprechende vorherige Benachrichtigung geben und ihm mitteilen, was getan werden muss, um die Verteidigung nicht zu beeinträchtigen.

II. Wenn der Mandant innerhalb einer vernünftigen Frist nicht einen anderen Verteidiger ernennt, ist der Rechtsanwalt bei Beachtung der gesetzlichen Verpflichtungen nicht für den weiteren Beistand verantwortlich, obwohl er verpflichtet ist, die Partei über die ihm eventuell zugestellten Mitteilungen zu informieren.

III. Im Falle von Unauffindbarkeit muss der Rechtsanwalt den Mandatsverzicht der Partei durch Einschreibebrief an die meldeamtliche Adresse und an die letzte bekannte Anschrift mitteilen. Mit Erfüllung dieser Formalität und unter Wahrung der gesetzlich vorgesehenen Verpflichtungen, ist der Rechtsanwalt von der Pflicht zu jeder weiteren Tätigkeit befreit, unabhängig davon, ob der Mandant diese Mitteilung tatsächlich erhalten hat.

 

ABSCHNITT IV - VERHÄLTNIS ZUR GEGENPARTEI; DEN RICHTERN UND ZU DRITTEN

ART. 48. (Androhung gerichtlicher Schritte an die Gegenpartei) - Die Aufforderung des Rechtsanwaltes an die Gegenpartei zur Leistung bestimmter Erfüllungen unter Androhung von gerichtlichen Schritten, von Konkursanträgen Anzeigen oder anderen Sanktionen ist gestattet, insoweit sie die Gegenpartei über die mÄglichen laufenden oder zu unternehmenden gerichtlichen Initiativen informiert; die Aufforderung ist dagegen berufsrechtlich unkorrekt, wenn unverhältnismässige oder schikanÄse Aktionen und Initiativen angedroht werden.

I. Wenn man die Gegenpartei zu einer Besprechung in die eigene Kanzlei einlädt, bevor man einen Rechtsstreit beginnt, ist es zweckmässig zu betonen, dass die Gegenpartei von einem Vertrauensanwalt begleitet werden kann.

II. Die Anlastung gegenüber der Gegenpartei von Entgelt und Spesen für ausserstreitig geleistete Tätigkeit ist gestattet, wenn sie zugunsten des Mandanten verlangt wird.

ART. 49. (Mehrfache Prozesse gegen die Gegenpartei). - Der Rechtsanwalt darf nicht mit kostspieligen oder mehrfachen gerichtlichen Initiativen die Schuldposition der Gegenpartei erschweren, wenn dies nicht tatsächlichen Gründen der Wahrung der Interessen des Mandanten entspricht.

ART. 50. (Forderung von beruflichem Entgelt an die Gegenpartei). - Es ist verboten, von der Gegenpartei die Zahlung des eigenen beruflichen Entgeltes zu verlangen, ausser wenn dies ausdrücklich mit der Zustimmung des eigenen Mandanten vereinbart wurde, und in jedem anderen gesetzlich vorgesehenen Falle.

I. Insbesondere ist es dem Rechtsanwalt gestattet, von der Gegenpartei die Zahlung des eigenen beruflichen Entgeltes zu verlangen, wenn ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen wurde und der eigene Mandant in Verzug ist.

ART. 51. (Äbernahme von Aufträgen gegen frühere Klienten). - Die Äbernahme eines Auftrages gegen einen früheren Klienten ist gestattet, wenn eine angemessene Zeit verstrichen ist und der Gegenstand des neuen Auftrages dem des vorher ausgeführten fernsteht und jedenfalls keine MÄglichkeit besteht, vorher erfahrene Informationen zu verwenden.

I. Die Angemessenheit der Frist ist auch in Hinblick auf die Intensität der Klientenbeziehung zu beurteilen.

ART. 52. (Verhältnis zu den Zeugen). - Der Rechtsanwalt muss es vermeiden, sich mit den Zeugen über die Umstände des Verfahrens unter Druck oder Beeinflussung zu unterhalten, um Gefälligkeitsaussagen zu erhalten.

I. Das Recht auf die von der Strafprozessordnung vorgesehene Nachforschung in der von den Organen der Rechtsanwälte festgelegten Art und Weise bleibt unberührt.

II. Insbesondere muss der Verteidiger, der eine über die Tatsachen informierte Person vorladen will, mit schriftlicher Einladung vorgehen, ausser in Dringlichkeitsfällen, und die aussagende Person über die bürgerliche und moralische Bedeutung der beabsichtigten Aussage unterrichten.

Der Verteidiger muss alle Erklärungen, auch mit Gebrauch von phonographischer und audiovisueller Aufzeichnung, mit ausdrücklicher Genehmigung des Betroffenen aufnehmen.

ART. 53. (Beziehungen zu den Richtern). - Die Beziehungen zu den Richtern müssen sich nach der Würde und der Achtung ausrichten, die den gegenseitigen Aufgaben zukommen.

I. Ausser in Ausnahmefällen darf der Rechtsanwalt nicht über einen Zivilrechtsstreit mit dem beauftragten Richter diskutieren, ohne dass der gegnerische Anwalt anwesend ist.

II. Der als ehrenamtlicher Richter berufene Rechtsanwalt muss alle mit diesen Aufgaben verbundenen Verpflichtungen und die Bestimmungen über die Unvereinbarkeit wahrnehmen.

III. Der Rechtsanwalt darf nicht eventuelle Beziehungen von Freundschaft, Vertrautheit oder Verbundenheit zu Richtern ausnützen, um Gefälligkeiten und Begünstigungen zu erreichen. Auf jeden Fall darf er nicht die Art derartiger Beziehungen in der Ausübung seines Amtes gegenüber Dritten oder in deren Anwesenheit unterstreichen.

ART. 54. (Beziehungen zu Schiedsrichtern und Sachverständigen). - Der Rechtsanwalt muss seine Beziehung zu Schiedsrichtern und Sachverständigen unter Achtung der gegenseitigen Aufgaben nach Korrektheit und Aufrichtigkeit bestimmen.

ART. 55. (Schiedsgericht). - Der Rechtsanwalt, der die Funktion des Schiedsrichters übernommen hat, muss die Pflicht zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit beachten.

I. Um die Beachtung der Pflichten der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu gewährleisten, darf der Rechtsanwalt nicht die Funktion des rituellen oder nicht rituellen Schiedsrichters, weder als von den Parteien ernannter Schiedsrichter noch als Präsident übernehmen, wenn er mit einer der Streitparteien in beruflichen Beziehungen steht oder gestanden hat, welche die Unabhängigkeit beeinträchtigen kÄnnen.

Der als Präsident ernannte Schiedsrichter muss insbesondere den Parteien das Bestehen beruflicher Beziehungen zu einer von ihnen mitteilen und auf die Ernennung verzichten, wenn dies von ihm verlangt wird.

II. Auf jeden Fall muss der Rechtsanwalt den Parteien jeden Umstand und jede besondere Zusammenarbeit mit den Verteidigern, die auf seine Selbständigkeit Einfluss haben kÄnnten mitteilen, damit er ihre Zustimmung zur Ausübung des Auftrages erhält.

ART. 56. (Beziehungen zu Dritten). - Der Rechtsanwalt hat die Pflicht, sich korrekt und achtungsvoll gegenüber dem Hilfspersonal der Justizverwaltung, den eigenen Angestellten und überhaupt allen Personen zu verhalten, mit denen er in Ausübung seines Berufes zusammentrifft.

I. Auch ausserhalb der Ausübung des Berufes hat der Rechtsanwalt die Pflicht, sich in den zwischenmenschlichen Beziehungen derart zu benehmen, dass das Vertrauen der Dritten auf seine Fähigkeit zur Erfüllung der beruflichen Pflichten und auf die Würde des Berufes nicht beeinträchtigt wird.

ART. 57. (Wahlen der Rechtsanwälte). - Der Rechtsanwalt, der als Kandidat oder Befürworter von Kandidaten an Wahlen zu Vertretungsorganen der Anwaltschaft teilnimmt, muss sich korrekt verhalten und alle Arten von Werbung und Initiativen vermeiden, die mit der Würde der Aufgaben nicht vereinbar sind.

ART. 58. (Die Zeugenaussage des Rechtsanwaltes). - Der Rechtsanwalt muss es soweit als mÄglich vermeiden, als Zeuge über Umstände auszusagen, die er in Ausübung seiner Tätigkeit erfahren hat und die sich auf das erhaltene Mandat beziehen.

I. Der Rechtsanwalt darf nie gegenüber dem Richter sein Wort für die Wahrheit der im Verfahren vorgebrachten Tatsachen verbürgen.

II. Wenn der Rechtsanwalt als Zeuge auftreten will, muss er das Mandat zurücklegen und darf es nicht wieder übernehmen.

ART. 59. (Pflicht zur Erfüllung der gegenüber Dritten übernommenen Verpflichtungen). - Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, ordnungsgemäss die gegenüber Dritten übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen.

I. Die Nichterfüllung von Verpflichtungen, die ausserhalb der Ausübung des Berufes stehen, wird zur disziplinarrechtlichen Äbertretung, wenn sie nach Art und Weise oder Schwere derart ist, dass das Vertrauen der Dritten auf die Fähigkeit des Rechtsanwaltes zur Erfüllung seiner beruflichen Pflichten beeinträchtigt wird.


ABSCHNITT V - SCHLUSSBESTIMMUNG

ART. 60. (Schlussbestimmung). - Die spezifischen Bestimmungen dieser Berufsordnung stellen Beispiele der häufigsten Verhaltensweisen dar und beschränken nicht den Anwendungsbereich der ausgesprochenen allgemeinen Grundsätze.